Heute geht es um kleine und wirkungsvolle Interventionen, mit denen du dein Gegenüber ins Erleben bringst.
Da sitzt sie vor mir. In sich versunken und leerer Blick. Was war passiert. „Ein Kunde hat mich angepflaumt“. „Und deswegen geht es dir jetzt nicht gut?“. „Ja, ich weiß, mir sollte es egal sein, aber es mir nicht egal. Offensichtlich mache ich meinen Job schlecht“. „Vielleicht war auch einfach der Kunde nicht gut drauf und hat es bei dir abgeladen?“ „Vielleicht“. Worte werden hier wenig überzeugen. Für ausgiebiges Coaching keine Zeit. Der perfekte Augenblick für eine Impact-Technik.
Ich hole einen 20 Euro Schein hervor.
„Wie viel ist der wert?“
Irritation. „…20 €?…“ „Genau: 20 €“.
Ich falte den Geldschein „Und wie viel ist er jetzt wert?“ „na – immer noch 20 €“.
Ich zerknülle den Geldschein „und jetzt?“ „20 €“ Ich werfe den Geldschein auf den Boden, trete auf ihn herum, schreie ihn an. „Und jetzt“
„immer noch 20 €“
“Es ist also egal, wie ich ihn behandle – der Wert bleibt gleich.”
Mit dieser kleinen Impact-Technik wird sichtbar, wie sehr wir unseren Wert durch unsere Umgebung bestimmen lassen. Sie lädt dazu ein, weiter nachzudenken und ins Gespräch zu kommen. Danie Beauieu beschreibt in ihrem Buch „Impact-Techniken für die Psychotherapie“ viele solcher kleinen und wirkungsvollen Interventionen.
Impact-Techniken bringen Menschen ins Erleben. Statt lange über eine Situation, ein Gefühl, einen Gedanken zu reden, werden Prozesse fühlbar.
Es sind diese kreativen Bilder, Symbole, Metaphern, die über alle Sinneskanäle bleibenden Eindruck (Impact) beim Patienten hinterlassen.
Welche Impact-Techniken haben sich bewährt und wie kann man sie im digitalen Raum nutzen? Die folgenden 3 Techniken habe ich immer parat, denn sie lassen sich in vielen verschiedenen Momenten einsetzen.
Vor einiger Zeit hatte ich ein Training mit einem Team, das viel im Kundenkontakt steht. Innerhalb dieses Teams hatte sich die Meinung etabliert „dass alle Kund:innen unfreundlich und unfair sind“. Trainerin: „Alle?“ Team: „Na, fast alle“
Nachdem meine Versuche, die Aufmerksamkeit auf die Positiven zu lenken (Antwort: „9 von 10 Kund:innen sind definitiv nicht nett!“) und auch die Reflektion über unsere Wahrnehmung nicht fruchtbar war, entschied ich mich für eine sehr wirkungsvolle Impact-Technik:
„Wir haben hier einen Raum mit tollen Bildern und Postern. Wir machen jetzt eine kleine Konzentrations- und Merkübung. Bitte schaut immer in die Richtung, die ich euch ansage und merkt euch so viele Gegenstände mit so vielen Details wie möglich, wie ihr euch merken könnt. Aber Achtung: Ihr habt nur begrenzt Zeit und dann werde ich euch bitten, euren Blick auf eine andere Wand zu richten. Bereit?“
Alle Teilnehmer:innen stellen sich mit Gesicht zu mir gerichtet in die Mitte des Raumes. „Ich bitte euch jetzt, euren Blick auf die Wand rechts von euch zu lenken. Und jetzt merkt euch bitte alles, was rot ist.“ Viele konzentrierte Gesichter betrachten die Wand. Nach ca. 15-20 Sekunden schreite ich ein. „Jetzt bitte noch einmal rechtsherum drehen und die nächste Wand betrachten. Merkt euch bitte wieder alles, was rot ist. Mit jedem Detail. Form, Größe, Beschaffenheit….“
Die Teilnehmer:innen drehen sich so lange, wie sie wieder frontal zu mir stehen. „Schließt jetzt bitte die Augen. Lasst sie fest verschlossen. Und jetzt sagt mir bitte alle Gegenstände, die blau sind.“ Die Verblüffung steht den Teinehmer:innen ins Gesicht geschrieben, während sie meist erfolglos versuchen, blaue Gegenstände zu benennen.
Diese Übung zeigt eindringlich, wie sehr wir die Informationen aus unserer Umgebung filtern. Sie sorgt für Erheiterung und ein körperliches Erleben. Nach dieser kleinen Intervention konnten wir ganz anders über die subjektive Wahrnehmung der Kundschaft reflektieren.
Dass solche Techniken nachwirken zeigte sich einige Wochen später. In der Kantine hörte ich, wie eine Mitarbeiterin zu ihrem Kollegen sagte „du nimmst heute halt nur das Rote wahr“.
Wie kannst du diese Technik im Online-Training nutzen?
Hier ist es hilfreich, wenn du in einem Raum mit vielen Gegenständen und Bildern stehst. Anstatt dass die Teilnehmer:innen sich im Raum drehen, drehst du deine Kamera auf die verschiedenen Seiten des Raumes. Wer ein unordentliches Büro hat, ist klar im Vorteil.
Als Trainer:in, Coaches und Berater:in haben wir viele Möglichkeit, die Macht der Körpersprache zu thematisieren. Viele greifen hierzu auf Mehrhabian und seine 7-38-55 Regel zurück. Dieser Weg über die Kognition kann erfolgversprechend sein, bringt die Teilnehmer:innen aber nicht in das Erleben. Zusätzlich ist die Studie höchst umstritten (Einen guten Beitrag dazu findest auf dem Blog von Bianca Grünert: “Vergiss die 55-38-7 Regel”).
Da bei dem Thema nonverbale Kommunikation das Spüren und körperliche Sensibilisieren wichtig ist, beginne ich gerne mit folgender Impact-Technik. Sie stammt aus dem Buch “Denk doch, was du willst” von Thorsten Havener.
Alle Teilnehmer:innen werden gebeten, sich in einem Kreis aufzustellen. Als Warm-up (und damit die Übung nicht zu transparent wird) starten wir mit „Catch-me-if-you-can“. Die Anleitung für diese Aktivierung findest du, wenn du auf den Namen klickst.
Danach werden alle gebeten, ihre rechte Hand wie zum Schwur hochzuhalten.
Trainerin: (Der genaue Wortlaut ist hier wichtig): „Ich bitte euch, wenn ich gleich „jetzt“ sage, den Arm einmal nach unten zu senken. Wie ein Klappmesser einfach nach unten klappen. So (Trainerin macht es einmal vor). “Bereit? Dann: 3 -2 -1.” Die/der Trainer:in lässt nach dem Countdown den Arm schnell sinken. Nachdem alle Teilnehmer:innen reagiert (oder nicht reagiert) haben folgt ein lautes „jetzt“. Es dauert meist einige Sekunden bis die Teilnehmer:innen bemerken, was passiert ist und in ein Lachen ausbrechen.
Diese Technik ist wunderbar um zu spüren, wie stark Körpersprache wirkt. Auch für das Thema „Spiegelneurone“ ist sie sehr nützlich.
Ich habe diese Übung sicherlich schon 150-mal durchgeführt. Und es ist nur einmal passiert, dass alle ihre Hände oben behalten haben. Es handelte sich um eine Gruppe von Eltern mit Kindergartenkindern die eine intensive Zeit mit dem Spiel „Kommando Pimperle“ hinter sich hatten.
Durchaus! Ich war selbst ganz überrascht, dass diese Übung auch bei einem Online-Training wirkte. (Dann ohne Einstieg “Catch me if you can”)
Die 20 € Schein-Technik aus der Einleitung ist mittlerweile ein Klassiker. Danie Beulieu beschreibt noch eine sehr interessante und wirkungsvolle Abwandlung!
Ressourcenarbeit ist gerade im Einzelcoaching ein wichtiges Thema. Anstatt hier mit dem Geldschein zu arbeiten, können wir auch den Coachee bitten, auf einem Blatt Papier alle seine Stärken und positiven Eigenschaften zu notieren.
Natürlich versehen mit Namen und schön groß geschrieben. Jetzt bitten wir den Coachee, diesen Zettel zu zerknüllen, zu treten etc. Danach wird das Blatt geöffnet und glatt gestrichen. „Hat sich der Inhalt verändert?“.
Dieses Blatt wir von nun sicherlich eine Bedeutung für die Person haben.
Absolut! Gerade das haptische kommt häufig im virtuellen Raum zu kurz und wird hier ermöglicht. Zusätzlich werden (fast) alle Sinne werden aktiviert.
Mit ein wenig Kreativität, lassen ich viele Impact-Techniken finden. Folgende Übung aus der Improvisation hat schon so manche neue Impact-Technik hervorgebracht: Du wählst innerhalb von 5 Sekunden einen Gegenstand aus deiner Umgebung aus, nimmst ihn in die Hand und hast nun 2 Minuten Zeit, dir eine Impact-Technik mit diesem Gegenstand zu überlegen. Was wird aus den Taschentüchern, aus den Stiften, Briefumschlägen und Schokoladentafeln in deiner Umgebung?
Impact-Techniken erfordern manchmal ein bisschen Mut. Es gibt eine Übung zum Thema „Motivation“, bei der schimpfe ich recht laut und ausgiebig mit den Trainingsteilnehmer:innen. Kostet Überwindung. Viel Überwindung. Der Effekt ist aber tausendmal stärker, als 2 Stunden über Maslow zu philosophieren.
Mir sind auch Impact-Techniken um die Ohren geflogen. Das möchte ich nicht verschweigen. Interessanterweise hatten die Fälle, bei denen die Technik negativ ankam, mit den größten Effekt. Ich werde also weiterhin im Training und Coaching darauf setzen.
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